I AM GOING TO SHOOT THE SUN”

von Stephan Schwarz und Elisabeth Leiss


Die Arbeiten von Stephan Schwarz laden ein zur intensiven Betrachtung und zur freien Assoziation. Sie geben uns Rätsel auf. „Jeder sieht, was er sieht“, können wir Frank Stella paraphrasieren. Schwarz führt uns an ferne Orte, in die Fremde, in etwas für uns Fremdes. Seine Bilder sind Montagen aus einer Vielzahl von Fotos. Aus über 6000 Diapositiven hat Schwarz, wie er es nennt, „Weltenfragmente“ entnommen und sie „aus rein ästhetischen Aspekten“ aneinandergereiht.


Er präsentiert keinen Foto-Realismus. Vielleicht, weil er den „Realismus“ des Fotos, das immer nur Ausschnitte zeigt, ohne Kontext, infrage stellt. Geschaffen hat Schwarz abstrakte Farbenspiele. In seiner Installation sehen wir keine Abbildungen, in denen wir Gegenstände, Ort, Situationen identifizieren können. Ein wichtiger Teil der Installation sind zehn zum Abreißen angebotene Texte von Elisabeth Leiss. Diese Texte dienen als Erweiterung im Sinne einer zusätzlichen Bewegung. Eine Verortung wird man nicht über die Fotoarbeit, sondern nur über die Texte bekommen.


Fotos, sagte uns Susan Sontag, liefern uns Beweise, dass etwas ist, wie es beschrieben, behauptet wird. Doch mit „Weltenfragmenten“ gibt es nichts zu belegen, nichts zu beweisen. Wie trügerisch angebliche Beweise sind, kommt uns in den Sinn. Schließlich entsteht, was uns als Beweis aus Anschauungen erscheint, aus unserer subjektiven Wahrnehmung, die stets beeinflusst ist von der eigenen Gefühlslage und den persönlichen Erfahrungen. Was wir zu sehen meinen, sagt hier mehr über uns selbst als über die ursprüngliche Abbildung.


Unsere Wahrnehmung wird geleitet von unseren Vorstellungen, unseren kognitiven Mustern, Wünschen nach Erklärung, von unseren Fantasien. So führt die Frage, „Was sehe ich“ nicht zu neuer Erkenntnis über die äußere Welt. Vielmehr können wir mit dieser Frage Zugang schaffen zu unserer inneren Welt. Geöffnet werden Tore zu einer Reise in das eigene Unbewusste. Gefühle, Empfindungen, Gedanken, die damit entstehen. Die Darstellung der zehn Installations-Stücke, präsentiert wie die zehn Elemente eines klassischen Rorschachtests, ermuntert uns, uns selbst zu ergründen. Und so neue Einsichten über uns zu entdecken. Und uns so in der Welt (womöglich) besser zurecht zu finden. Auch in der Fähigkeit, das Uneindeutige, Unbestimmte, Nichtvorhersehbare in unserem Leben auszuhalten. Auch das Unkontrollierbare?


In seiner Bearbeitung des Ausgangsmaterials gibt Schwarz dem Bilderkonvolut, das ihm der Kärntner Textilkaufmann Josef Wiegele mit der Bitte, es für die Nachwelt zu bewahren, einen tieferen Sinn. Wiegele und seine Frau Grete hatten auf ihren Reisen nach Afrika, Nord- und Mittelamerika, durch Asien und durch Europa obsessiv fotografiert und gefilmt, als ob sie damit in der Lage wären, sich die Welt anzueignen. Die Masse der Bilder lässt uns vermuten, dass beide Getriebene waren. Ruhige Anschauung und Reflektion im Müßiggang scheinen ihre Sache nicht gewesen zu sein. So verstanden waren sie vielleicht typische „Traveler“ der neuen Zeit – die ungeduldig eilten von Ort zu Ort und mit „pics“ und „reels“ dokumentieren wollten, dagewesen zu sein.


Heutzutage ist noch mehr Tempo ins Geschehen gekommen. Mit abnehmender Aufmerksamkeit für die Welt, in der sich der „Traveler“ bewegt. In den heutigen Bildern dominiert das Selfie. Der hastige Schnapp-Schuss. Wichtig ist die Selbst-Inszenierung. Der Ort wird zum Hintergrund degradiert, schöne Landschaft, ebenso wie monumentale Architektur oder museale Kunstgegenstände. Es geht um das Gesehen-Werden, nicht um das eigene Sehen. Ganz anders als in den Arbeiten von Stephan Schwarz.


Text von Michael Schmitz / AG18 Gallery





I AM GOING TO SHOOT THE SUN”

from Stephan Schwarz and Elisabeth Leiss



The work of Stephan Schwarz invites intense contemplation and free association. They pose riddles for us. "Everyone sees what he sees," we can paraphrase Frank Stella. Schwarz takes us to distant places, to the foreign, to something alien. His paintings are montages from a multitude of photographs. From over 6000 slides, Schwarz has taken what he calls "fragments of worlds" and strung them together "for purely aesthetic reasons."


He does not present photo-realism. Perhaps because he questions the "realism" of the photograph, which always shows only moments without context. What Schwarz has created are abstract color games. In his installation, we do not see images in which we can identify objects, places, or situations. An essential part of the installation are ten texts by Elisabeth Leiss offered for tearing off. These texts serve as an extension in the sense of an additional movement. One will not get a location through the photographic work but only through the texts.

Susan Sontag told us that photographs provide evidence that something is as it was described and claimed as true. But with "fragments of the world," there is nothing to prove, nothing to confirm. How deceptive alleged proofs are, comes to our mind. Finally, what appears to us as proof, arises from our subjective perception, which is always influenced by our emotional state and individual experiences. What we think we see says more about ourselves than it does about the original image.


Our perception is guided by our ideas, cognitive patterns, desires for an explanation, our fantasies. Thus, the question "What do I see" does not lead to new knowledge about the external world. Instead, with this question, we can gain access to our inner world. Gates are opening to a journey into our unconscious. For discovering feelings, sensations, and thoughts that arise with that. The ten installation pieces, presented like the ten elements of a classic Rorschach test, encourage us to explore ourselves. And thus, to discover new insights about ourselves. And thus to (possibly) better find our way in the world. And strengthen the ability to endure ambiguity, the indeterminate and unpredictable in our lives. Even the uncontrollable?


Through his work with the source material, Schwarz gives a deeper meaning to the convolute of pictures that the Carinthian textile merchant Josef Wiegele handed over to him with the request to save them for posterity. Wiegele and his wife Grete had obsessively photographed and filmed on their journeys to Africa, North, and Central America, through Asia, and across Europe, as if this would enable them to appropriate the world. The mass of images leads us to believe that they were driven. Quiet contemplation and reflection in idleness do not seem to have been his thing. Understood in this way, they were perhaps typical "travelers" of the new age - impatiently rushing from place to place and wanting to document with "pics" and "reels" that they have been there.


Nowadays, even more, speed has come into play. With decreasing attention to the world in which the "traveler" moves. In today's images, the selfie dominates. The hasty snapshot. Self-staging is salient. The place is degraded to the background - beautiful landscape and monumental architecture or art objects in museums. It is about being seen, not about seeing oneself. Quite different from the works of Stephan Schwarz.


Text by Michael Schmitz / AG18 Gallery